• Schließen wir doch mal Frieden mit unserem Körper – oder besser gesagt mit der eigenen Figur.

 

Kampfschauplatz Figur

Täglich haben Frauen angeblich durchschnittlich 13 negative Gedanken über ihren Körper!

 

Woher kommt dieser Wahn?

 

Zwei- bis fünftausendmal pro Woche werden wir mit Bildern digital manipulierter Körper konfrontiert. Diese Menge macht es unmöglich sich dem Einfluss dieser Bilder zu entziehen. Das momentane, „dank“ globalisierter Sehgewohnheiten nahezu weltweite, unerreichbare Figur-Vorbild, an dem sich mittlerweile gemessen wird – mit schmaler Taille, flachem Bauch ohne Wölbung, leicht muskulösen Armen und Beinen, dafür aber großem, fraulichen Busen –  kann kaum eine Frau ohne sehr viel Aufwand erreichen.

 

Wir hören seit Jahrzehnten den Mythos „Jede kann alles erreichen, wenn sie nur hart genug arbeitet“. Dazu leben wir in einer Welt in der doch alles immer unsicherer wird, wo uns zunehmend die Strukturen wie Familie und feste Arbeitsstelle fehlen, wo wir immer weniger Bereiche in unserem Leben kontrollieren können. Letztlich können wir die Kontrolle nur über unseren Körper voll auszuüben. Er ist das einzige über das wir voll bestimmen können. Je weniger wir das Leben unter Kontrolle haben, desto mehr kontrollieren wir unseren Körper.

Da wir Frauen Fehler meist erstmal bei uns suchen, orientieren wir uns an dem „idealen Körper“ gephotoshopter Glanzbilder und die Porno-Ästhetik dringt vom Internet bis in die letzten Tabu-Bereiche vor. Der Körper wird immer mehr zum Objekt und zum Projekt, das es gilt zu gestalten.

Neue Technologien und Entwicklungen wie Fitness-Armbänder täuschen uns vor, dass sie besser wissen, was für uns wichtig und gut ist, als wir selbst und versprechen uns alle biologischen Vorgänge zu optimieren. Auf das Körpergefühl zu hören, egal in welchem Bereich wird immer weniger wichtig.

 

Was wirklich „normal gebaut“ ist, zeigt ein Vergleich mit den Durchschnittsmaßen der deutschen Frauen:

Die deutsche Durchschnittsfrau ist um die 1,63 Meter groß, wiegt etwa 69,9 Kilo und hat einen Taillenumfang von 83 Zentimeter.

Vergleicht sich diese Frau mit einem Model, das mindestens 1,75 Meter groß ist, einen Taillenumfang unter 70 Zentimeter hat und etwa 20 Kilo weniger wiegt als sie, schneidet sie optisch allein was die Figur angeht schlecht ab, wenn wir bei dem vorher beschriebenen Körperideal bleiben.

Aber wir sehen die Models und auch die Schauspielerinnen aus Hollywood meist nur auf Bildern oder dem Bildschirm, nie in natura. Wer sagt uns, dass wir diese Damen nicht am liebsten füttern würden, wenn sie mal real vor uns auftauchen?

 

„Wenn abnehmen die Antwort ist, was ist dann die Frage?“

Geht es überhaupt ums Schlanksein oder um das, was die Gesellschaft mit einem dünnen Körper verbindet?

Was verbindet unsere Gesellschaft den mit Dünnsein?

In einem Artikel in der 2013 in der Brigitte stand und wo Eva Barlösius, damals Soziologie-Professorin an der Leibniz-Universität in Hannover, interviewt wird kommt folgende Antwort auf diese Frage:

Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle, zur Selbstdisziplin, das verbindet unsere Gesellschaft mit Personen, die einen schlanken Körper haben. Sehen wir eine schlanke Frau, setzen wir voraus, dass sie sich gesund ernährt, Sport treibt, in der Lage ist, sich selbst zu kontrollieren. Und entsprechend geht die Gesellschaft mit dieser Frau dann um, vollkommen unabhängig, ob sie vielleicht ganz anders lebt.

 

Niemand berücksichtigt, dass es schon immer verschiedene Figurtypen gab!

Das ist schon irgendwie krank: Entspricht man nicht dem favorisierten Körpertypus hat man von vornherein schlechte Karten. Heute vielleicht noch mehr als zu früheren Zeiten. Wer sich nicht dem Diktat unterwirft – seinen Körper in dieses Vorstellungskorsett quetscht, indem er alles in seinem Leben reguliert und fast schon zwanghaft kontrolliert (um letztlich doch zu scheitern, da die Natur einfach stärker ist) – sieht sich Vorurteilen und auch schlechteren Chancen gegenüber.

 

Aber wer sagt eigentlich, dass ein Körper, der laut Body-Mass-Index als fettleibig gilt nicht genauso leistungsfähig ist, wie einer, der sich mit seinen Werten in den „richtigen“ Zahlen wiederfindet? Warum soll ein Mensch, mit einem gesunden Körper, der einfach etwas kräftiger ist weniger Selbstdisziplin besitzen?

 

Die körperliche Erscheinung wird durch viele Faktoren bestimmt, allerdings hängt keiner damit direkt mit der Persönlichkeit zusammen.

Und hier genau entsteht doch das eigentliche Problem. Wie die Persönlichkeit sich entwickelt, hängt zum großen Teil davon ab, wie mit einer Person umgegangen wird. Verdeutlichen wir schon Kindern und Jugendlichen, bei denen sicher ist, dass sie es nie ohne äußerste Anstrengungen schaffen werden mit dem Körperideal mitzuhalten, das Schlanksein vorschreibt, dass sie immer weniger anerkannt sein werden, weil sie optisch nicht dem Ideal entsprechen, werden sie sich auch immer als weniger wertvoll als schlanke Altersgenossen fühlen und der Teufelskreis beginnt… Wenn man von vornherein mehr leisten muss, weil weniger von einem erwartet wird, kann man entweder anfangen zu kämpfen oder man lässt es gleich sein. Bei Mädchen kommt meist noch die Tatsache dazu, dass sie, mehr noch als Jungen, schon früh lernen, dass das richtige Aussehen Vorteile und Anerkennung bringen kann. Hier gibt es keine Chancengleichheit – übergewichtige Kinder und Jugendliche haben es von Anfang an schwerer, kommen sie dann noch aus einem Umfeld, das sie nicht ausreichend fördert haben sie doch eigentlich schon verloren…

 

Wieso ist es gesellschaftlich anerkannt Menschen mit etwas mehr Körpergewicht und einem etwas höheren Körperfettanteil als irgendwer irgendwo festgelegt hat, dass er normal ist, offen zu verachten, unhöflich zu behandeln und auszugrenzen?

 

Wir leben in eine Welt voller Vorurteile.

Woher soll man durch reines Betrachten eines Menschen wissen, ob er undiszipliniert und willensschwach ist, nur weil er etwas Speck an der Hüfte hat? Wer sagt, dass die deutsche Durchschnittsfrau (1,63 m, knapp 70 kg und Taillenumfang 83 cm) weniger attraktiv ist als eine Frau mit Modelmaßen (mindestens 1,75 m, maximal geschätzte 55 kg und geschätzter Taillenumfang zwischen 60 und 70 cm)? Sie sehen doch total unterschiedlich aus. Und wieso ist eine Frau mit 1,70 m Körpergröße, die etwa 100 kg wiegt und einen Taillenumfang von 98 cm hat auf jeden Fall weniger attraktiv und weniger schön als die beiden anderen Frauen?

 

Wer sagt, dass nicht jede Frau auf ihre Art schön ist?

Wer behauptet, dass eine von diesen Frauen weniger attraktiv ist hat vielleicht aus seiner persönlichen Perspektive Recht, das gilt aber noch lange nicht für alle Menschen und allein aufgrund von oberflächlicher Betrachtung.

Vielleicht ist die 100kg-Frau sogar die Attraktivste von diesen drei Frauen, weil sie einen unglaublichen Sex-Appeal und einen mitreißenden Humor hat?

Warum sollen die anderen beiden neben ihr attraktiver sein, wenn die Frau mit den Durchschnittsmaßen so packende Geschichten erzählt, so pointiert, und dabei immer wieder so zauberhaft lächelt?

Und vielleicht hat die Frau mit den Modelmaßen noch mehr zu bieten als nur ihr Äußerliches, vielleicht hat sie promoviert oder rettet in ihrer Freizeit Tierbabies vor dem Tod?

Wenn wir uns auf die Oberfläche konzentrieren sehen wir nie, was darunterliegt.

 

Und Frauen machen sich das Leben untereinander zusätzlich schwer: Anstatt sich gegenseitig zu unterstützen vergleichen sie sich und konkurrieren miteinander, wer die Beste, Schönste, … ist. In Zeiten konkurrierender Lebensentwürfe und Biografien scheinen nicht mehr Gleichberechtigung, sondern Figurprobleme und die Angst vor dem Altern die letzten gemeinsamen Nenner für Frauen zu sein.

 

Warum machen wir es nicht einfach mal anders?

Würden alle Frauen auf der Welt sich und die anderen so annehmen wie sie sind und sich einen Dreck um ihr Aussehen kümmern, wäre es möglich, dass sie dann die Konflikte dieser Welt schon weitestgehend gelöst hätten?

Wenn wir uns als Frauen in dem unterstützen, was wir außer Schönheit und Attraktivität noch erreichen wollen, wenn wir uns gegenseitig unterstützen und nicht noch Steine in den Weg legen, erst dann sind wir stark.

Wenn wir das machen was uns wirklich mit Freude erfüllt und gegenseitig unterstützen, dann sind wir alle von alleine schön. Und die Welt wird mit uns ein wenig schöner.

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner